26. Juli 2022 - Lena Kuder

Unsere geistige Heimat

Welche Erinnerungen wohl bei einem syrischen Flüchtling aufkommen, wenn er an seine Heimat denkt. Vielleicht der Geruch nach Minztee, Zimt und gebratenem Ziegenfleisch, vielleicht das Stimmengewirr in den Cafés morgens um 8 Uhr, vielleicht die Menschentrauben in der Markthalle …

Bei jedem Menschen tauchen beim Begriff Heimat andere Bilder vor seinem geistigen Auge auf. Bis vor zwei Jahren noch verband ich mit meiner Heimat Waldspaziergänge, tiefsinnige Gespräche mit Freunden, Kunstausstellungen, Musikfestivals am See, Abende im Biergarten, Radtouren am Fluss, ewige Zufahrten vorbei an Raps- und Stoppelfeldern, Rhabarber-Schmandkuchen und Freilichtkino. Ich bin vor 17 Jahren aus freien Stücken ausgewandert, nicht aber, weil ich aus meiner Heimat fliehen musste. Nie kam es mir in den Sinn, mit meiner Heimat zu brechen, denn meine engsten Freunde und meine Familie leben dort.

Nun aber ist das Band, das mich mit meiner Heimat verknüpft, brüchig geworden. Selbstverständlich bleibt die enge Bindung mit Familie und Freunden bestehen, doch meine Heimat wir mir immer fremder. Dort leben Menschen, die einander denunzieren und mit dem Finger auf Andersdenkende zeigen.

Der Dichter Heinrich Heine verfasste 1844 in seinem Pariser Exil das Gedicht Nachtgedanken. Darin kommt seine Sehnsucht nach der in seiner Heimat Deutschland zurückgebliebenen Mutter zum Ausdruck. Damals befanden sich die mitteleuropäischen Staaten in einer allgemeinen vorrevolutionären Situation, die unter anderem in Deutschland und Frankreich zu den Revolutionen von 1848 führen sollte. In den deutschen Ländern regte sich politischer Widerstand gegen das vom Wiener Kongress eingesetzte repressive Regime und die Kleinstaaterei.

Nachtgedanken, 1. Strophe
Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.
Heinrich Heine

Der Germanist Helmut Koopmann nimmt an, dass Heine in Paris vereinsamt sei: am Rande sitzend, nicht mehr Teilhaber der Gesellschaft, sondern bestenfalls noch ihr Kritiker. Nur aus dieser Situation eines Parias seien Werke wie Nachtgedanken und Wintermärchen verständlich. Zeitgenössische Heimatforscher gehen davon aus, dass der Mensch sich ein neues Lebensumfeld schaffen kann.

Der Philosophieprofessor Dr. Rainer Piepmeier schreibt:

«Unter heutigen Bedingungen kann Heimat auch nicht mehr statisch an den Ort der Geburt gebunden sein. Heimat kann auch neu gewonnen (...) werden.»

Der Heimatbegriff schlösse gewissermassen die Möglichkeit auf Beheimatung ein – also auf Aneignung einer vertrauten Lebenswelt und Ausbildung sozialer Zugehörigkeiten. Demnach könne man eine Heimat finden, in der man den Raum selbst definiert und zuordnet. Nach dieser Definition ist die Heimat eine Lebensform, nicht aber ein Herkunftsnachweis.

Wie oft hörte ich im vergangenen Jahr von Familien, älteren Menschen und alleinerziehenden Müttern den Satz: «Hier in Deutschland hält man es nicht mehr aus, es wird immer schlimmer.» Was ist aus meiner Heimat geworden, in der ich mich nicht mehr beheimatet fühle?

Ein Bekannter erwägt, aus seiner Heimat Deutschland wegzuziehen und seine Professorenstelle zu kündigen. Sein Tinyhaus auf Rädern steht schon startklar im Garten. Neulich sagte er mir: «Als ich mich näher mit dem Corona-Thema zu befassen begann, fragte ich mich, ob es noch andere solcher Lügenkonstrukte gibt, denen ich auf den Leim gegangen bin. Mir hat es den Boden unter den Füssen weggezogen.»

Er ist nicht der einzige, dessen Leben auf den Kopf gestellt wurde. Machen wir uns also auf und definieren wir unsere Heimat neu. Eine geistige Heimat, in der Gedanken- und Meinungsfreiheit gegeben sind. Wir möchten Ihnen ein Stück dieser geistigen Heimat geben. Bitte unterstützen Sie uns mit einer kleinen Spende, damit wir weiterhin unzensiert und unabhängig berichten können.

Herzlich,

Lena Kuder

0 0

Newsletter

Beiträge
Loading the player...
02.05.2024
Loading the player...
26.04.2024
Loading the player...
26.04.2024
Loading the player...
24.04.2024
Loading the player...
22.04.2024
Beiträge-Archiv

Schreiben Sie einen Kommentar

© Copyright 2024 - TransitionTV

Netiquette

Die Kommentare dienen als Diskussionsplattform und sollen den offenen Meinungsaustausch unter den Lesern ermöglichen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass in allen Kommentarspalten fair und sachlich debattiert wird. Scharfe, sachbezogene Kritik am Inhalt des Artikels oder wo angebracht an Beiträgen anderer Forumsteilnehmer ist erwünscht, solange sie höflich vorgetragen wird. Persönlichkeitsverletzende und diskriminierende Äusserungen hingegen verstossen gegen unsere Richtlinien. Sie werden ebenso gelöscht wie Kommentare, die eine sexistische, beleidigende oder anstössige Ausdrucksweise verwenden. Beiträge kommerzieller Natur werden nicht freigegeben. Zu verzichten ist grundsätzlich auch auf Kommentarserien (zwei oder mehrere Kommentare hintereinander um die Zeichenbeschränkung zu umgehen), wobei die Online-Redaktion mit Augenmass Ausnahmen zulassen kann.

Die Kommentarspalten sind artikelbezogen, die thematische Ausrichtung ist damit vorgegeben. Wir bitten Sie deshalb auf Beiträge zu verzichten, die nichts mit dem Inhalt des Artikels zu tun haben.

Das Nutzen der Kommentarfunktion bedeutet ein Einverständnis mit unseren Richtlinien.

Unzulässig sind Wortmeldungen, die

  • Nichts mit dem Thema des Artikels zu tun haben
  • Kommerzieller Natur sind
  • andere Forumsteilnehmer persönlich beleidigen
  • einzelne Personen oder Gruppen aufgrund von Rasse, Ethnie oder Religion herabsetzen
  • in Rechtschreibung und Interpunktion mangelhaft sind
  • verächtliche Abänderungen von Namen oder Umschreibungen von Personen enthalten
  • mehr als einen externen Link enthalten
  • einen Link zu dubiosen Seiten enthalten
  • Nur einen Link enthalten ohne beschreibenden Kontext dazu

Wir handhaben die Veröffentlichung von Kommentaren liberal. Die Online-Redaktion behält sich jedoch vor, Kommentare nach eigenem Gutdünken und ohne Angabe von Gründen nicht freizugeben. Es besteht grundsätzlich kein Recht darauf, dass ein Kommentar veröffentlich wird. Weiter behält sich die Redaktion das Recht vor, Kürzungen vorzunehmen.