Klar: Das Phänomen ist nicht neu. Spätestens mit dem Beginn des Ukraine-Konflikts 2014 haben sich Leserschaft und Journalisten zunehmend entfremdet. Schon damals dominierte ein rigider Manichäismus von Gut und Böse die Schlagzeilen der grossen Zeitungen. Die Corona-«Pandemie» setzte dem noch eins obendrauf – zwei Jahre gouvernementale Berichterstattung vom Feinsten.
Bis vor kurzem war ich überzeugt: Mehr Vertrauensverlust ist fast nicht möglich. Doch weit gefehlt: Statt aus den Versäumnissen der Corona-Berichterstattung zu lernen, als permanent fast nur die eine Seite zu Wort gekommen ist, gibt es auch jetzt in weiten Teilen der Mainstream-Presse nur eine einzige, allesbestimmende Sicht auf den Ukraine-Krieg.
Wer diese hinterfragt, der setzt sich umgehend dem Verdacht aus, ein «Putin-Troll» zu sein. Und ohnehin wissen die grossen Medien: Vom «Corona-Skeptiker» zum «Putin-Versteher» ist der Weg nicht weit. Es herrscht ein Informationskrieg.
Wer einem unabhängigen Historiker wie Daniele Ganser eine Plattform bietet – wie Corona-Transition oder auch Christoph Pfluger beim Zeitpunkt es taten –, der ist für die NZZ bereits höchst umstritten. Der Informationskrieg wird ohne Rücksicht auf Verluste ausgetragen.
Wirkliche Nachrichten sind zweitrangig. Was zählt, ist die richtige Gesinnung. Wer am lautesten gegen Putin brüllt, der wird beklatscht und gefeiert. Während westliche Politiker und Diplomaten bei einer Rede von Aussenminister Sergej Lawrow davonlaufen, erhält der ukrainische Präsident Selenski im Deutschen wie im US-Parlament Standing Ovations (siehe hier und hier). Selbst der Bundespräsident der Schweiz, Ignazio Cassis, erwies Selenski im Zuge der Demonstration auf dem Bundesplatz am Samstag die Ehre, Schweizer Neutralität hin oder her. Dass eben dieser Präsident derzeit zahlreiche oppositionelle Parteien verboten hat, scheint nicht der Rede wert zu sein.
Als Verteidiger der Demokratie und der Menschenrechte gelten nun diejenigen, welche die härtesten Sanktionen fordern. Dass diese die ärmsten Bevölkerungsschichten treffen, spielt keine Rolle; Hauptsache man steht auf der «richtigen» Seite, ob als Politiker oder als Journalist.
Letztere führen sich gegenwärtig mehr und mehr wie Politiker auf. Nüchterne Informationen aus unterschiedlichen Lagern zu vermitteln, das ist anstrengend. Putin-Bashing dagegen ist einfach. Kriegsgurgeln, die auf Eskalation abzielen, tauchen mit einem Mal von überall her auf. Auch Verleger sind sich inzwischen nicht zu schade dafür, einem nuklearen Schlagabtausch zwischen den Grossmächten das Wort zu reden.
So zum Beispiel Peter Wanner, Verleger und VR-Präsident der CH Media, der zahlreiche grosse Schweizer Zeitungen angehören. Wanner setzt auf die totale Eskalation mit Russland, wie er in einem ganzseitigen Artikel in seinen CH-Medien am Samstag deutlich gemacht hat. Er bedauert, dass US-Präsident Joe Biden nicht bereit ist, eine Flugverbotszone in der Ukraine einzurichten. Und dass die NATO offiziell nicht an der Seite von Selenskis Truppen kämpft, bezeichnet er als «feige». Dadurch lasse das westliche Militärbündnis die Ukraine «in ihrem Freiheitskampf im Stich».
Wanner träumt von einem harten militärischen Gegenschlag seitens der Westmächte. Dafür würde er auch einen Atomkrieg riskieren. «Nur weil der russische Machthaber droht, Atomwaffen einzusetzen, darf man noch nicht in die Knie gehen. Auf diese Drohung hätte die Nato mit einer Gegendrohung antworten müssen. Denn wenn man Angst vor einer atomaren Drohung äussert, hat man schon verloren», schrieb Wanner.
Angesichts solcher Äusserungen ist es kaum verwunderlich, dass man vom St. Galler Tagblatt bis zur Solothurner Zeitung derzeit nur noch eine Ansicht zur Ukraine vermittelt bekommt und das Vertrauen in die Medien bei vielen Lesern noch weiter sinkt. Wenigstens sitzt Wanner nicht an den Schalthebeln der politischen Macht im Ukraine-Krieg. Doch klar ist auch: Wer sich über den Krieg in der Ukraine differenziert informieren will, der sollte den CH-Medien nicht allzuviel Beachtung schenken, sondern sich besser auf unabhängige Nachrichtenportale ausrichten.
Herzlich
Rafael Lutz
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