24. August 2022 - Rafael Lutz

Regierungen und ihre Megafone

Die Ideologie ist einer der Pfeiler der äusseren Stabilität dieses Systems. Dieser Pfeiler ist jedoch auf Sand gebaut – nämlich auf der Lüge. Deshalb bewährt er sich nur so lange, solange der Mensch bereit ist, in der Lüge zu leben. Václav Havel

Die Pressefreiheit gilt in unseren Breitengraden als ein hohes Gut. Gerne rühmen wir uns in der westlichen Welt, dass bei uns die Presse noch intakt sei. Zensur, Propaganda und einen verengten Debattenraum: Sowas gibt es nur in Russland, in China, im Iran.

Aber sicher nicht bei uns im Westen. Sowieso ist bei uns alles besser – hier kann jeder sagen, was er will, ohne gleich im Gefängnis zu landen. In der medialen Debatte würden schliesslich auch die unterschiedlichsten Ansichten und Meinungen abgebildet. Ja, es herrsche Meinungspluralismus, so die häufige Argumentation.

Dass diese selbstherrliche Wahrnehmung leider wenig mit der Realität zu tun hat, dürfte den meisten klar sein. Wer aber trotzdem immer wieder darauf aufmerksam macht, dass andere Meinungen systematisch marginalisiert werden, gilt rasch einmal als Verschwörungstheoretiker. Schliesslich werde ja nach wie vor Kritik an den Autoritäten geäussert, heisst es oft.

Tatsache ist: In der Schweiz ist Kritik heute die Ausnahme, nicht die Regel. Das verdeutlicht die Masterarbeit der Zürcher Studentin Clara Goebel. Sie hat die Berichterstattung einzelner Medienhäuser über die Corona-Politik des Bundesrats untersucht.

Dafür hat sie in Zusammenarbeit mit der NZZ, die heute auf die Arbeit aufmerksam machte, 42’000 Artikel ausgewertet, die in 48 Schweizer Zeitungen und Online-Plattformen zwischen Januar 2020 und April 2022 erschienen sind (mehr dazu hier).

Dabei fand sie heraus: Lediglich 6,8 Prozent der untersuchten Medienberichte waren negativ gefärbt – sprich: nicht einmal annähernd jeder zehnte Artikel war regierungskritisch.

Weiter Goebel: «Die Berichterstattung war bei allen Medien überwiegend neutral. Aber bei der Beurteilung von zentralen Akteuren wie Alain Berset und Ueli Maurer gibt es deutliche Unterschiede.» Wenn die Schweizer Medien in den letzten zwei Jahren einmal ein Regierungsmitglied kritisch beleuchteten, dann war es Finanzminister Ueli Maurer (SVP).

Also genau derjenige Bundesrat, der während der «Pandemie» noch vereinzelt mit kritischen Äusserungen auf sich aufmerksam machte und den bundesrätlichen Konsens immer wieder störte – unter anderem mit Solidaritätsbekundungen für die massnahmenkritischen Freiheitstrychler. Ohne die gouvernementale Berichterstattung der Medien hätte die Regierung hierzulande kaum harte Eingriffe vornehmen können.

Man vergleicht das einmal mit der Berichterstattung der Schweizer Medien über Russland oder China. Hier ist es die Ausnahme, wenn diese Länder einmal nicht negativ konnotiert werden. Im besten Fall ist jeder zehnte Artikel nicht negativ besetzt.

Man muss nur einmal auf die Ukraine schauen: Seit dem Februar 2022 haben wir eine nächste Stufe der Propaganda erreicht. Und damit meine ich nicht die russische Propaganda, die selbstverständlich auch omnipräsent ist, sondern die westliche.

Der bekannte australische Investigativjournalist John Pilger meinte kürzlich dazu: «Ich habe meine Karriere damit verbracht, im Mainstream zu arbeiten, und ich habe wahrscheinlich über sieben, acht, neun Kriege berichtet; ich habe noch nie eine Berichterstattung gesehen, die so vollständig von einem Tsunami von manipulativem Hurrapatriotismus verzerrt wurde wie diese.»

Vor einigen Jahren untersuchte ich im Rahmen meiner Soziologie-Masterarbeit an der Universität Fribourg die Berichterstattung der Schweizer Medien über den Ukraine-Konflikt 2014. Konkret fokussierte ich mich auf den Sturz von Wiktor Janukowitsch im Februar 2014 und die darauffolgende Phase bis zum Krim-Referendum Mitte März 2014.

Ergebnis: In Mainstream-Medien wie der NZZ und dem Tages-Anzeiger kamen im Vergleich zu russlandfreundlichen Stimmen deutlich mehr westliche respektive NATO-freundliche Stimmen zu Wort (mehr dazu hier).

Über die mediale Einseitigkeit war ich schon damals fasziniert. Aber Pilger hat vermutlich recht: Verglichen zu 2014 hat sich der Informationskrieg seit 2022 noch deutlich verschärft.

Ich kann Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, deshalb nur empfehlen: Informieren Sie sich so breit wie möglich über möglichst unterschiedliche Nachrichtenportale – also sowohl auf sogenannten Mainstream-Portalen als auch auf unabhängigen Internetportalen. Nur so können Sie sich ein eigenes Bild machen.

Auch wir von Transition News versuchen Tag für Tag unseren Beitrag für eine vielfältige Medienlandschaft zu leisten. Sie ist heute wichtiger denn je!

Herzliche Grüsse

Rafael Lutz

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