22. September 2022 - Rafael Lutz

Regiert wird bis in die Wohnzimmer hinein

Wir glauben nicht an die Meinungsfreiheit, wenn wir sie nicht auch den Leuten zugestehen, die wir verachten. Noam Chomsky

Die Energiepolitik der Schweizer Regierung bringt die Gemüter zum Kochen. Für Letzteres könnte die Energie bald zu knapp werden, so lauten einzelne Horrorprognosen. Angst und Schrecken zu verbreiten, gehört nach wie vor zum Courant normal.

Die Argumente sind bekannt. Schuld am gegenwärtigen Debakel sind immer die Anderen: «Die Befürworter der Energiestrategie 2050 haben blind auf den Ausbau der erneuerbaren Energie gesetzt, ohne sich Gedanken zu machen, wie der Atomstrom ersetzt werden kann», meinte SVP-Präsident Marco Chiesa und schiesst dabei in erster Linie gegen links.

Cédric Wermuth, Co-Präsident der SP, ist wiederum der Meinung, dass das Gegenteil der Fall sei: Schuld an der jetzigen Lage sei die SVP, die seit Jahrzehnten den Ausbau erneuerbarer Energien wie Wasserkraft und Photovoltaik blockiere.

Die beiden wählerstärksten Schweizer Parteien fetzen sich zwar gerne. Fakt ist aber auch: Sie haben mehr gemein, als ihnen lieb ist: Beide Parteien betrachten sich gerne als Vertreter der «einfachen» Bürger und des Mittelstandes – in Tat und Wahrheit sind sie es aber nicht. In entscheidenden Fragen politisieren sowohl SP als auch SVP oftmals meilenweit weg von den Interessen der breiten Masse. Stichwort: Corona-Politik.

Der Streit mag für politische Beobachter interessant sein; doch die Arbeiter und die breite Bevölkerung haben nichts davon. Sie wollen genügend Strom, und im Winter eine Heizung. Die Bürger möchten, dass ihr Geld nicht permanent noch stärker entwertet wird. Kurz gesagt: Sie wollen nicht von der Hand in den Mund, sondern zumindest würdevoll leben.

Doch die Realität ist anders: Stattdessen werden Gewerbetreibende, Kleinunternehmer, Arbeiter und Mittelstand von einer Krise in die nächste gerissen. Gestern das Corona-Regime, heute steht das Energie-Regime vor der Tür.

Und wehe dem, der sich noch getraut, die Energiepolitik scharf zu kritisieren: der bekommt «eins aufs Maul». So geschehen bei SVP-Nationalrat Christian Imark, der im Parlament jüngst SP-Energieministerin Simonetta Sommaruga für die Energiekrise verantwortlich machte.

Imark warnte die Bundesrätin, dass bei Anwendung der von ihr prognostizierten Notfallszenarien die Leute bald auf die Strasse gehen und weit mehr fordern werden als bloss ihren Rücktritt. Zu viel des Guten.

Von der FDP bis zur SP und den Grünen schäumten Politiker. Allgemeiner Konsens: Imark sei einen Schritt zu weit gegangen. «Es gibt Grenzen des Sagbaren, auch in einer Demokratie», twitterte Wermuth. Die SVP habe eine «Grenze überschritten». Meinungsfreiheit? Fehl am Platz.

Man empört sich in Bern nicht über die Regierung, welche die Bürger mit Drohungen und Strafen zu gängeln beabsichtigt, sondern über die Kritiker. Wer im kommenden Winter mit Temperaturen von über 19 Grad Celsius heizt, für den wird es «heiss» werden. Geldstrafen und Gefängnis bis zu 180 Tagen sind möglich (mehr dazu hier). Doch das scheinen Lappalien zu sein für die Politiker.

Den anmassenden Staat, der einmal bis in die Körpersäfte und dann wieder bis ins Wohnzimmer hineinregiert, scheint man weitgehend akzeptiert zu haben. Willkommen in der Schweiz im Jahr 2022!

Herzlichst

Rafael Lutz

0 0

Newsletter

Beiträge
Loading the player...
26.09.2024
Loading the player...
23.09.2024
Loading the player...
19.09.2024
Loading the player...
17.09.2024
Beiträge-Archiv

Schreiben Sie einen Kommentar

© Copyright 2024 - TransitionTV

Netiquette

Die Kommentare dienen als Diskussionsplattform und sollen den offenen Meinungsaustausch unter den Lesern ermöglichen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass in allen Kommentarspalten fair und sachlich debattiert wird. Scharfe, sachbezogene Kritik am Inhalt des Artikels oder wo angebracht an Beiträgen anderer Forumsteilnehmer ist erwünscht, solange sie höflich vorgetragen wird. Persönlichkeitsverletzende und diskriminierende Äusserungen hingegen verstossen gegen unsere Richtlinien. Sie werden ebenso gelöscht wie Kommentare, die eine sexistische, beleidigende oder anstössige Ausdrucksweise verwenden. Beiträge kommerzieller Natur werden nicht freigegeben. Zu verzichten ist grundsätzlich auch auf Kommentarserien (zwei oder mehrere Kommentare hintereinander um die Zeichenbeschränkung zu umgehen), wobei die Online-Redaktion mit Augenmass Ausnahmen zulassen kann.

Die Kommentarspalten sind artikelbezogen, die thematische Ausrichtung ist damit vorgegeben. Wir bitten Sie deshalb auf Beiträge zu verzichten, die nichts mit dem Inhalt des Artikels zu tun haben.

Das Nutzen der Kommentarfunktion bedeutet ein Einverständnis mit unseren Richtlinien.

Unzulässig sind Wortmeldungen, die

  • Nichts mit dem Thema des Artikels zu tun haben
  • Kommerzieller Natur sind
  • andere Forumsteilnehmer persönlich beleidigen
  • einzelne Personen oder Gruppen aufgrund von Rasse, Ethnie oder Religion herabsetzen
  • in Rechtschreibung und Interpunktion mangelhaft sind
  • verächtliche Abänderungen von Namen oder Umschreibungen von Personen enthalten
  • mehr als einen externen Link enthalten
  • einen Link zu dubiosen Seiten enthalten
  • Nur einen Link enthalten ohne beschreibenden Kontext dazu

Wir handhaben die Veröffentlichung von Kommentaren liberal. Die Online-Redaktion behält sich jedoch vor, Kommentare nach eigenem Gutdünken und ohne Angabe von Gründen nicht freizugeben. Es besteht grundsätzlich kein Recht darauf, dass ein Kommentar veröffentlich wird. Weiter behält sich die Redaktion das Recht vor, Kürzungen vorzunehmen.