07. Juli 2022 - Konstantin Demeter

Lumumbas Goldzahn und die Atombombe

Der belgische Autor Ludo De Witte bezeichnete ihn als «den wichtigsten Mord des 20. Jahrhunderts». Die Details über die lange Folter und den Tod des kongolesischen Freiheitskämpfers Patrice Lumumba will ich hier nicht wiedergeben; sie sind zu grausam. Jedenfalls wurde er letztendlich im Januar 1961 von Erschiessungskommandos der vom Kongo abtrünnigen Provinz Katanga hingerichtet, welche von Belgiern befehligt wurden.

Sein «Verbrechen»: Er hatte massgeblich zur formellen Unabhängigkeit der belgischen Kolonie Kongo im Jahre 1960 beigetragen und war fest entschlossen, sie als erster Premierminister der Demokratischen Republik Kongo auch in die Tat umsetzen. Angesichts Kongos Reichtum an natürlichen Ressourcen war das insbesondere für Belgien, die USA und Grossbritannien inakzeptabel.

Diese Länder unterstützten deshalb einen vom Staabs- und Armeechef Mobutu Sese Seko angeführten Coup und ihre Geheimdienste spielten eine wesentliche Rolle in der nachträglichen Festnahme und Ermordung Lumumbas, wie auch die Vereinten Nationen und Kanada. Die CIA hatte ursprünglich geplant, Lumumba unter anderem mit einer vergifteten Zahnpasta umzubringen. Ab 1965 war Mobutu über dreissig Jahre lang «Präsident» der de facto Diktatur Kongo.

Um keine Gedenkstätte zu hinterlassen, wurden die Leichen von Lumumba und zwei politischen Verbündeten vom belgischen Polizisten Gerard Soete und dessen Bruder zerkleinert, verbrannt und in Schwefelsäure aufgelöst; die Knochen wurden zermahlen und verstreut. Zwei Finger und zwei Zähne Lumumbas, darunter ein vergoldeter, brachten sie als Trophäe nach Belgien – wie auch die Kugel, die in seinem Schädel steckte.

Nach jahrelangen Bitten der Tochter Juliana Lumumba kehrte der berühmte Goldzahn nun nach über 60 Jahren in den Kongo zurück. Am letzten Donnerstag fand in der Hauptstadt Kinshasa ein offizielles Begräbnis statt. Der Goldzahn ruht jetzt in einem eigens dafür gebauten Mausoleum.


Begräbnis des Goldzahns von Patrice Lumumba, Kinshasa, 30. Juni 2022. Quelle: BBC/AFP

Ob es der wichtigste Mord des 20. Jahrhunderts war, darüber lässt sich streiten; jedenfalls hatte er eine globale Bedeutung und langfristige Auswirkungen auf Afrika und die kongolesische Politik. Wie wichtig der Kongo für die USA war, zeigt sich zum Beispiel daran, dass das Land in den 1940er und 1950er Jahren der grösste Lieferant von Uranium an die USA war. Das meiste Uranium, welches in der über Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben steckte, stammte aus den Minen des Kongo.

Die üppig vorhandenen Rohstoffe des Kongo führten zwischen 1998 und 2003 auch zum tödlichsten Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg. Sechs Millionen Menschen kostete er das Leben. Und die Gier nach Coltan, ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Atombombe Smartphone, trägt dazu bei, dass die Konflikte im Kongo weiterhin anhalten.

Herzlich

Konstantin Demeter

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