19. Oktober 2022 - Rafael Lutz

Höchste Zeit, Verantwortung zu übernehmen

Alle Ängste sind psychisch bedingt. Die Angst vor dem Tod oder vor dem Verlust eines geliebten Menschen (...) wird von unserem Verstand gesteuert. Das sind alles mächtige Dinge. John Carpenter

Lassen Sie mich heute nicht über Aktualitäten und die jüngsten «Nachrichten» sprechen. Wir informieren uns ohnehin zu Tode, wie Gerald Hüther und Robert Burdy festgestellt haben. Deshalb: Heute geht es um Grundsätzliches.

Natürlich haben Hüther und Burdy recht: Die permanente Überflutung mit Informationen hat eine Kehrseite: Der «moderne Mensch» will stets «up to date» sein; immer auf dem neusten Stand, «informiert» sein», alles mitbekommen.

Das Problem dabei: Dieser «moderne Mensch» verelendet darüber. Er hat keinen Kompass mehr; weiss nicht mehr, was wichtig, was unwichtig ist, was sein Herz, sein Verstand sagt. Die Orientierungslosigkeit geht so weit, dass er nicht einmal mehr weiss, wofür er eigentlich lebt. Er vegetiert dahin und läuft falschen Götzen nach; er glaubt zu leben, aber führt ein Leben, dessen Richtung bereits weitgehend vorprogrammiert ist.

Willkommen im Jahr 2022. Wie «aufgeklärt und informiert» unsere Gesellschaften sind, das haben wir spätestens in den letzten zweieinhalb Jahren bitter erkennen müssen: Die selbstverschuldete Unmündigkeit bemächtigte sich des «mündigen Bürgers»: Obey, obey und nochmals obey hiess das neue Zauberwort. John Carpenters Klassiker «Sie leben» lässt grüssen. Wie weitverbreitet der Gehorsam ist, wie wenig aufgeklärt die westlichen «Informationsgesellschaften» sind, das sah jeder, der wie John Nada plötzlich seine Sonnenbrille aufgesetzt hat:

Die herrschenden Geld- und Machteliten und ihre Medienhäuser kontrollieren grosse Teile der Informationen. Sie verfügen über die Deutungshoheit und beherrschen die Wahrnehmung der Masse der Bevölkerung. Zwar sind die Herrscher dieser Welt keine ausserirdischen Totenkopfwesen wie in Carpenters Film. Doch wieviel Macht sie auf die Bürger ausüben, das hätten sich viele von uns wohl in den schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen können.

Da sind Pharmakonzerne und Regierungen, die bis in die Körpersäfte, bis in die Kühlschränke, bis in die Raumtemperaturen hineinregieren; und da ist eine immer noch grosse Anzahl von Menschen, die sich das gefallen lässt.

Das Kernproblem aber sind Menschen, die Verantwortung nach oben abgeben; Menschen, die ihr Leben in die Hand fremder Menschen und Organisationen geben. Ein ewiger Teufelskreis. Zugleich ist das ein wesentlicher Grund dafür, dass die Welt so ist, wie sie ist: Grosskonzerne und Oligarchen, die nach dem Prinzip Ausbeutung arbeiten und Menschen als «Human Resources» ansehen, sind auf willfährige Untertanen angewiesen.

Das alles ist seit langem bekannt. Doch das Gute daran ist: In Zeiten der multiplen Krisen kommen diese Tatsachen schonungslos an die Oberfläche. Wir leben in Zeiten der Offenbarung. Jene Zeiten, zu denen man Verantwortung an andere übertragen hatte, die sind vorbei, und das gilt insbesondere für die Menschen in der Demokratie- und Bürgerrechtsbewegung.

Unzählige Initiativen und Organisationen sind seit 2020 entstanden. Neue «Helden» sind emporgestiegen; einige werden womöglich als solche in die Geschichte eingehen, andere wiederum als Demagogen oder Scharlatane.

Klar ist: Auch in der Demokratie- und Bürgerrechtsbewegung haben einige zu lange auf «Helden» gewartet, die «es schon richten werden». Das brachte dann eine doppelte Enttäuschung: Auf jene durch Regierungen, denen viele von uns vermutlich bis vor wenigen Jahren noch ihr Vertrauen geschenkt hatten, folgte eine Enttäuschung innerhalb der Bewegung, in der ebenfalls längst nicht alle für das stehen, was sie einst vorgegeben haben.

Doch die Sache ist nicht ungefährlich. Gerade die «doppelte» Enttäuschung trägt Sprengkraft in sich. Wer doppelt enttäuscht ist, driftet oftmals noch schneller in gefährliche Welten ab, in denen man nur noch nach seinen eigenen «Gesetzen» lebt.

Der soziale Friede steht ohnehin auf fragilen Füssen. Die Gesellschaft ist fragmentierter denn je. Dabei ist es höchste Zeit, die Gräben wieder zuzuschütten und aufeinander zuzugehen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Es ist höchste Zeit, sich nicht noch mehr voneinander zu entfremden. Gewiss: Gegenseitiges Vertrauen, das einmal verloren gegangen ist, ist nur schwer wieder aufzubauen. Nichtsdestotrotz ist es für einen Neuanfang nie zu spät.

Und da wir gerade über Vertrauen sprechen: An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, bedanken für das Vertrauen, dass Sie uns seit mehr als zwei Jahren schenken. Wir sind auch nicht perfekt, aber wir geben uns die grösste Mühe, mit den bescheidenen Möglichkeiten, die wir haben, stets unser Bestes zu geben und weiterzugehen.

Schliesslich sind wir gekommen, um zu bleiben. Und auch wenn wir nur ein kleiner Stachel im Sitzfleisch der Mächtigen sind, so wussten bereits die Römer: «Steter Tropfen höhlt den Stein». Und klar ist uns allen: Wir dürfen die Macht, die jeder von uns hat, niemals unterschätzen. Die Zeiten der Ohnmacht sind vorbei.

Besonders dankbar sind wir, wie Sie wissen, stets um einen kleinen Vertrauensvorschuss in Form einer Spende. Nur so können wir unserem kleinen Team eine gewisse Sicherheit gewährleisten. Damit helfen Sie uns, liebe Leserinnen und Leser, diese Arbeit längerfristig fortzusetzen.

Herzlich

Rafael Lutz

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