03. März 2022 -

Die Narren tanzen zum Apocalypso

Liebe Leserinnen und Leser, da war ich doch sehr erstaunt, als es mich am Wochende unverhofft ins bunte Karnevalstreiben meiner Kleinstadt verschlug. Die Lokalblätter hatten zwar angekündigt, dass dank der Lockerungen in der Schweiz wieder «fasnächtliche Aktivitäten» erlaubt seien. Das kam aber noch dermassen zweiflerisch daher, dass ich davon ausging, da draussen höchstens einige wenige todesmutige, verschlagene und unverbesserliche «Narren» anzutreffen.

Doch weit gefehlt: die Gassen dicht gedrängt mit kostümierten Spassvögeln in feucht-fröhlicher Feierlaune. Gelächter, Bier und wummernde Party-Beats. Es schien mir, als wäre Corona nie gewesen. Einerseits erfreute mich dies. Andererseits stiess es mich vor den Kopf.

Ein Gedanke, der sofort in mir aufstieg: So hätte man auch vor einem Jahr Fasnacht feiern können: Es hätten nur einige hundert von diesen fröhlichen «Narren» den Mut haben müssen, unsere beschauliche, im Pandemiemodus erstarrte Provinzstadt zurückzuerobern. Was hätte schon passieren sollen? Hätte ein Einsatzkommando diese «Wirrköpfe» eingekesselt und mit Wasserwerfern beschossen? Oder – besser noch – mit Konfettikanonen zurückgedrängt?

Das Was-wäre-wenn ist müssig; vor einem Jahr hat die Regierung verkündet, Feiern sei zu gefährlich. Also blieb man schön brav zuhause. Nun vermittelt sie, dass die Killer-Seuche vorbei ist. Also darf man sie wieder wagen, die «alte Normalität» mit all ihren wilden Viren, dem Alkohol und den anderen Risiken und Nebenwirkungen des Lebens.

Die ernüchternde Moral von der Geschicht’: Die Masse gehorcht. Punkt. Sie lässt mit sich machen, was die Mächtigen wollen. Vielleicht war Corona, der 1. Akt, nur ein Test, um genau diesen Gehorsam zu prüfen. Und vielleicht sind die Mächtigen sogar selber darüber erschrocken, wie autoritätsgläubig und stumpf die Mehrheit tatsächlich ist.

Doch ich sehe das nicht nur durch die gesellschaftskritische Brille: Es hat mich sogar sehr erfreut und gerührt, so viele junge lachende, fröhliche Gesichter zu sehen. Die Gassen gehörten insbesondere den ausgelassenen Jugendlichen, und denen gönne ich das besonders, gehören sie doch zu denen, die durch die «Pandemie» am meisten verlieren.

Und es ist ihnen kein erleichtertes Aufatmen vergönnt: Immer wieder erfahre ich in den letzten Tagen, wie sehr die Kinder und Jugendlichen der Ukraine-Krieg beschäftigt. Wieder sind sie dem Panik-Bombardement der Massenmedien ausgeliefert: Steht der Dritte Weltkrieg bevor? Was soll nur werden aus ihrem Leben? Gibt es überhaupt eine Zukunft? Werden wir demnächst alle atomisiert?

Ein Ansage-Artikel brachte den Wahnsinn dieses noch jungen tragikomischen Jahrzehnts sarkastisch auf den Punkt: «Atomkriegsängste. Da hast du zwei Jahre lang eine Maske getragen, um dich vor einem dämlichen Virus zu schützen, und plötzlich macht es ‹Kabumm!› – und das wars.»

Es tut mir leid zu sehen, dass durch die Flut an Horror-News ausgerechnet diejenigen in die Ecke getrieben werden, denen die Zukunft am meisten offen stehen sollte. Verängstigt und ratlos wird aus ihnen das willkommene Fressen für den massenmedialen Moloch. Immerhin wird in den alternativen Medien ein differenzierteres Bild des Ukraine-Konflikts gezeichnet, das helfen kann, die Drohkulisse eines Dritten Weltkriegs etwas zu relativieren.

Danach gibt es immer noch genügend Anlass für Endzeitgedanken. Narren in den Gassen – Genarrte vor den Bildschirmen. Die Menschheit erscheint wie ein einziges Irrenhaus, sie tanzt auf einem Vulkan, das ist todsicher. Aber deswegen dürfen wir nicht alles todernst nehmen. Die Menschheit lässt die Masken fallen, setzt sie wieder auf, und tanzt, tanzt zum Apocalypso.

Herzliche Grüsse

Christian S. Rodriguez

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