20. April 2022 - Konstantin Demeter

Ostern und die Mythen

Ausgerechnet auf dem Vatikanhügel in Rom kam es an Ostern zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Anhängern der Fruchtbarkeitsgöttin Kybele. Der Grund: Die Riten beider hatten ähnliche Motive und Aussagen, doch mit unterschiedlichen Protagonisten; sie stritten sich, wessen Gott der wahre und welcher der nachgeahmte sei. Wir schreiben das vierte Jahrhundert nach Christus.

Ein Abbild des Leichnams von Kybeles Liebhaber Attis wurde damals an eine heilige Pinie gebunden und mit Blumen geschmückt, die sowohl Attis als auch seinem syrischen Gegenstück Adonis geweiht waren. Dann wurde er in einem Grab beigesetzt. Wie Jesus sei auch Attis am dritten Tag wieder «auferstanden».

Dem Mythos zufolge wurde Attis von einer Jungfrau geboren, starb und wurde jährlich wiedergeboren. Dieses Frühlingsfest führte man als Passionsspiel auf, beginnend mit dem Dies Sanguinis (Bluttag) am «Schwarzen Freitag» um den 21. März. Die Feier steigerte sich nach drei Tagen zur Freude über die «Auferstehung» zu einem Crescendo. Der Mythos um Kybele stammt aus Kleinasien, später wurde sie in Griechenland, Thrakien und Rom verehrt.

Die frühen Kirchenväter haben einige heidnischen Bräuche in christliche integriert, auch um die Konversion zu fördern. So fällt Weihnachten etwa auf die Wintersonnenwende, die schon seit Menschengedenken gefeiert wurde. Umgekehrt könnten auch heidnische Bräuche nachträglich den neuen christlichen angepasst worden sein, um den alten Glauben auf diese Weise neu zu legitimieren.

Die Frage nach der jeweiligen Historizität des Berichteten und Dargestellten lasse ich aussen vor; das würde den Rahmen des Newsletters sprengen. Wichtig erscheint mir, festzuhalten, dass Tod, Wiedergeburt und Opfer in den Konzepten vieler Religionen vorkommen. Ausserdem muss das, was sich an Symbolen überschneidet, nicht zwangsläufig kausal zusammenhängen. Den Christen kamen viele Parallelen jedenfalls entgegen: Überall dort, wo es populäre Mythen über auferstandene Götter gab, fanden sie viele Konvertiten.

Das entsprechende Motiv lässt sich bis in die Anfänge unserer Zivilisation zurückverfolgen: bis zu den Sumerern. Im Mittelpunkt stand ein Frühlingsfest, begangen zur Tag-und-Nacht-Gleiche: die Rückkehr des Sonnenlichts, der Fruchtbarkeit; das Leben erwacht aus dem Winterschlaf, der Fortpflanzungszyklus beginnt von neuem.

So ist es interessant, dass Ishtar nackt an einem Pfahl aufgehängt und anschliessend – ähnlich wie Attis und Jesus - «wiederauferweckt» wurde, bevor sie aus der Unterwelt aufgestiegen ist. In der mesopotamischen Mythologie war Ishtar die Göttin der Liebe, des Krieges, der Fruchtbarkeit und der Sexualität.

Die akkadische Ishtar entspricht der sumerischen Göttin Inanna, die auch von den Römern verehrt wurde. Die Namen variieren mit der Zeit, doch die Geschichte bleibt dieselbe. Ägyptens Osiris, die griechischen Demeter und Aphaea sowie Indiens Parvati und Sita – sie alle symbolisieren den Fortpflanzungszyklus.

Bei den alten Ägyptern war es Horus, der ermordet und wieder auferweckt wurde. Er und sein beschädigtes Auge wurden zu Symbolen für die Erntezyklen. Diese wurden an der Frühlings-Tagundnachtgleiche auch von den Anhängern des iranischen Gotts Mithras gefeiert. Mithras soll gar am 25. Dezember geboren worden sein.

Sein Kult war im gesamten Römischen Reich verbreitet. Noch im 4. Jahrhundert n. Chr. war der mit Mithras in Verbindung gebrachte Sol Invictus der letzte grosse heidnische Kult, den die Kirche zu überwinden hatte. Und die Griechen hatten ihren Dionysos: ein göttliches Kind, das von seiner Grossmutter wiedererweckt wurde und selbst seine Mutter Semele wieder ins Leben brachte.

Eine oft behauptete germanische Inspiration des Osterfestes vom Frühlingsfruchtbarkeitsfest zu Ehren der Göttin Eostre (Ostara, Oestera) – aufgrund des ähnlichen Namens – ist allerdings höchst unwahrscheinlich, insbesondere weil Ostern zum offiziellen Feiertag wurde, lange bevor sich christliche und deutsche Kultur vermischt hatten.

Zudem ist Ostern in den meisten europäischen Sprachen eine Ableitung von Pascha, ein anderes hebräischen Wort für Pessach (pas’cha auf Aramäisch) – zum Beispiel Pasqua auf italienisch und Pâques auf französisch. Bereits die Etymologie macht deutlich, dass seine Wurzeln hebräisch und nicht heidnisch sind.

Wie auch immer: Lasst uns «auferstehen» und uns über den Frühling freuen – und der ist zumindest für die Schweizer nach drei Jahren der erste ohne totalitär-sanitäre Massnahmen.

Herzliche Grüsse

Konstantin Demeter

 

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